17 Dez. INSIDE TK: Mehr Rechtssicherheit dank überragendem öffentlichen Interesse
Gastkommentar Dr. Sebastian Louven,
Rechtsanwalt, Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht, Kartellrecht, Telekommunikationsrecht, Louven.legal
Seit einiger Zeit liegen nach § 1 TKG Verlegung und Änderung von Telekommunikationslinien zum Ausbau öffentlicher Netze im überragenden öffentlichen Interesse. Die Vorschrift ist technologieneutral und nicht auf einzelne Maßnahmen beschränkt. Darauf hatte die Branche gewartet.
Und trotz dieser klaren gesetzlichen Formulierung berichten Unternehmen von zögerlichen Kommunen. Ist die Vorschrift lediglich ein politisches Bekenntnis? Braucht es weitere Hilfsmittel wie kommunikativen, politischen Druck oder einheitliche Informationen? Einige Stellen scheinen die Vorschrift noch nicht zu kennen.
Bereits zuvor lag der Netzausbau im öffentlichen Interesse, neu ist der Wortlaut „überragend“. Der Gesetzgeber trifft damit eine Aussage über die Gewichtung der erfassten Vorhaben an sich, nicht über das Abwägungsergebnis im Einzelfall. Es besteht also kein pauschaler Gewichtungsvorrang. Eine Einzelfallabwägung bleibt erforderlich.
Das überragende öffentliche Interesse setzt sich typischerweise gegenüber anderen Belangen durch. Anders in sogenannten atypischen Fällen, wenn ein ebenso überragendes Interesse entgegensteht. Derartige Ausnahmesituationen können bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen bestehen. Es ist dann die originäre Aufgabe der Behörde, solche Konfliktfälle zu lösen.
In dieser Konfliktlösungsaufgabe liegt aber auch die Lösung für die Praxis: Der Gesetzgeber geht von einem Regelfall aus. Interessen mit niedrigerer Gewichtung haben regelmäßig zurückzustehen. Darauf dürfen sich Unternehmen verlassen. Die zuständigen Behörden tragen die materielle Beweislast, wollen sie von diesem Regelfall abweichen. Fehlerhafte Bewertungen gehen zu ihren Lasten und Unternehmen können sich effektiver dagegen wehren.
Die Vorschrift soll es den Behörden also einfacher machen: Solange kein atypischer Fall vorliegt, können sie von einem Regelfall ausgehen und ihr Begründungsaufwand bleibt gering. Erst bei einer atypischen Konfliktlage steigt ihr Aufwand. Für die Behörden bedeutet dies Rechtssicherheit, wenn sie das Gesetz richtig anwenden.
Das macht es auch den Unternehmen einfacher. Sie können die Behörden einfacher und klarer auf die Einhaltung des überragenden öffentlichen Interesses verpflichten. Das kann mit juristischem Druck geschehen oder frühzeitig durch Kommunikation und Musterschreiben. Wer wenn nicht die Branche weiß genau, warum der Netzausbau im überragenden öffentlichen Interesse liegt?
Wenn der gesetzlich normierte Vorrang ernst genommen wird, entsteht daraus nicht nur ein Beschleunigungsversprechen – sondern ein rechtlicher Hebel für die digitale Infrastruktur Deutschlands. Die Branche und der Verband sollten hier unterstützen durch Argumente, klare Dokumentation und notfalls rechtliche Schritte. Mit dem überragenden öffentlichen Interesse können sie nunmehr für mehr Klarheit bei den Behörden sorgen.