Entscheidung der Bundesnetzagentur zur Inhouse-Verkabelung sorgt für Verunsicherung

Entscheidung der Bundesnetzagentur zur Inhouse-Verkabelung sorgt für Verunsicherung

Darf Telekom den Glasfaserausbau mittels Vectoring aushebeln?

Von Jürgen Grützner, Geschäftsführer des VATM

 

Hat alte Vectoring-Mbit/s-Technik Vorrang vor neuer Gigabit-Technologie per FTTB (Glasfaser bis in den Hauskeller), wenn es bei gemeinsamer Nutzung der Kupfer-Hausleitung in die Wohnung zu Störungen kommt? Für einige Diskussionen und Verunsicherung sorgt in diesem Zusammenhang aktuell die erste Teilentscheidung (BK3e-15-011) der Bundesnetzagentur zur Teilnehmeranschlussleitung (TAL), die sich auch auf die Inhouse-Verkabelung auswirkt. Dabei handelt es sich noch nicht um die Entscheidung, mit der das Verfahren endet.

Konkret geht es um den Fall, wenn die Hausleitung sowohl für Vectoring als auch für den FTTB-Glasfaserausbau genutzt werden soll. Grundsätzlich muss die Telekom als marktmächtiges und somit reguliertes Unternehmen Wettbewerbern, die Glasfaser bis in den Hauskeller gelegt haben, Zugang zu dieser Leitung gewähren. Gilt dies aber auch dann, wenn hierdurch z. B. die eigenen Kunden der Telekom nicht mehr mit Vectoring-Bandbreiten versorgt werden können?

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hatte hier einen speziellen Streitfall zu entscheiden. Dabei kommt es sehr darauf an, ob die Telekom oder der FTTB-Anbieter zuerst da war. Hierzu hat die Regulierungsbehörde eine sehr komplexe Entscheidung getroffen. Deren Reichweite ist zum einen beschränkt und zum anderen stehen in der Praxis in vielen Fällen praktikable Alternativen für die betroffenen Hauseigentümer, Mieter und Glasfaserunternehmen zur Verfügung.

Um es gleich vorwegzunehmen: Die Politik muss letztlich den gesetzlichen Rahmen schaffen, damit in Zukunft auch in besonderen Situationen immer Glasfaser-Qualität vor Vectoring-Qualität geht. Wir brauchen mittelfristig neue rechtliche Lösungen wie in Österreich – mit Vorrang für Glasfaserausbau und, wo es nötig ist, mit Abfindungsregeln für eine schlechtere Technik.

Aber wo liegt genau das Problem der Entscheidung der BNetzA? Unternehmen, die FTTH ausbauen, also Glasfaser nicht nur bis ins Haus (FTTB), sondern bis in die Wohnung (Fiber to the Home = FTTH), sind nicht betroffen. Sie nutzen die alte Kupferleitung nicht. Der Fall tritt nur ein, wenn in dem jeweiligen Gebäude ein Endkunde ein Vectoring-Produkt über die Telekom-Leitung bezieht, bevor dort ein anderer Anbieter sein FTTB-Angebot platziert, für das die gleiche Inhaus-Verkabelung genutzt werden soll. Wo der Glasfaseranbieter sein FTTB-Angebot zuerst einbringen kann, kann die Telekom nicht mit Vectoring nachziehen und die Glasfasernutzung nachträglich beschränken. Die BNetzA hat aufgrund der bestehenden Rechtslage nur Bestandskunden geschützt, die bereits ein Vectoring-Produkt der Telekom beziehen. Dass dies möglich ist und die Telekom dann Regelungen treffen darf, ist aufgrund des Gestattungsvertrages des Hauseigentümers zulässig.

Der Gestattungsvertrag kann vom Hauseigentümer meist in kurzer Zeit gekündigt werden und die Versorgung einem anderen – FTTB – ausbauenden Unternehmen überlassen werden. FTTB ausbauende Unternehmen werden zukünftig ohnehin entsprechende Verträge mit dem Hauseigentümer abschließen, um Planungssicherheit für die Investitionen zu schaffen.

Damit überhaupt erst eine Beschränkung in der Nutzung der Endleitung für den FTTB-Anbieter in Betracht kommt, muss die Telekom eine Störung einer tatsächlich bereits bestehenden Versorgung nachweisen. Potentielle Störungen reichen ebenso wenig wie Versorgungsleistungen unterhalb der Vectoring-Qualität, z. B. aufgrund langer Kupferleitungen gerade im ländlichen Bereich.

Wo solche Störungen im Parallelbetrieb beider Unternehmen in der Praxis vorkommen, müssen FTTB-Anbieter auf der Inhouse-Kupferleitung auf einen Teil der Frequenznutzung verzichten. Das führt nach Recherche der BNetzA zu einer Bandbreitenverringerung, im schlechtesten Fall bei den Vectoring-Produkten auf 125 bis 150 Mbit/s, bei dem FTTB-Anbieter auf 400 bis 600 Mbit/s.

Es geht hier also nicht grundsätzlich um Glasfaser versus Vectoring. In vielen Fällen nutzen die Glasfaser ausbauenden Unternehmen nicht den Verteilerpunkt im Keller (APL) und die alte Kupferleitung im Haus, sondern bauen Glas bis zum Endkunden oder nutzen da, wo es möglich ist, die erheblich schnellere Koaxialleitung.

Die Bundesnetzagentur hat auch deutlich gemacht, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt, den Konfliktfall und das so genannte „Frequenzshaping“ zu vermeiden. Aus Sicht des VATM wird der Hauseigentümer in der Regel ein erhebliches Interesse daran haben, seinen Mietern einen möglichst guten Anschluss anzubieten. Der Eigentümer kann dies über den Gestattungsvertrag steuern.

Die BNetzA hat bereits angekündigt, dass der Beschluss keine „Ewigkeitsentscheidung“ sein kann und diese überprüft wird, wenn ein gestiegener Bandbreitenbedarf und -wunsch der Endkunden erkennbar ist. Auch aus diesem Grunde sollte die Politik nun erst recht auf eine immer wieder ins Spiel gebrachte Voucher-Lösung (VATM-Voucher-Papier) setzen – nicht nur beim neuen NRW-Pilotprojekt, sondern in ganz Deutschland. Brüssel hat erst vor wenigen Tagen eine Voucher-Lösung für Griechenland genehmigt.

Es ist sehr bedauerlich, dass die Regulierungsbehörde für ganz besondere Konfliktfälle eine solche Regelung aufgrund des derzeitigen Telekommunikationsgesetzes – TKG – treffen musste, da darin die Gigabit-Ziele der Bundesregierung noch nicht verankert sind. Die Bundesregierung muss dringend das TKG anpassen, damit eine klare Entscheidung der BNetzA in allen Konstellationen zugunsten von Gigabit-Anschlüssen möglich ist.

Der VATM wird die 570 Seiten umfassende Teilentscheidung zum TAL-Standardangebot noch im Detail auswerten und bewerten.