VATM-Virtuell: Branche im Dialog

VATM-Virtuell: Branche im Dialog

Realpolitik statt Politikversprechen: Was hilft, was hemmt den Gigabitausbau?

Köln/Berlin, 23. März 2021. Wenige Monate vor der Bundestagswahl positionieren sich die Bundesparteien zum Thema Gigabitausbau und Digitalisierung. Wo stehen wir tatsächlich am Ende der 19. Legislaturperiode, und was muss in den nächsten Jahren besser werden?

Der VATM hat am Dienstag, 23. März 2021, den Auftakt für intensive und konstruktive Diskussionen im beginnenden Bundestagswahlkampf gemacht: Rund 70 Gäste aus Wirtschaft, Politik, Bundesministerien, Wissenschaft, der Bundesnetzagentur und den Breitbandzentren der Länder verfolgten eine hochaktuelle Panelrunde in unsere Reihe „VATM virtuell“ – und bewiesen damit, wie groß das Interesse an der künftigen Ausgestaltung der TK-Politik unter einer neuen Bundesregierung ist, deren Farbenspiel heute noch nicht bekannt ist.

Starke Panelisten gaben der Diskussionsveranstaltung reichlich Tempo: Stefan Sauer MdB, CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Mitglied des Bundestagsausschusses Digitale Agenda, Tim Brauckmüller, Geschäftsführender Gesellschafter atene KOM, David Zimmer, Präsident des VATM e. V., Geschäftsführung Unternehmensgruppe Deutsche Glasfaser, Gründer und Geschäftsführer inexio, sowie Norbert Westfal, Sprecher der Geschäftsführung EWE TEL.

Aufbau-Dynamik ist groß

Eine ehrliche Politik für die Gigabit-Gesellschaft, die das Machbare analysiert und ein Maximum an Geschwindigkeit beim Ausbau herauszuholen, das war der klare Wunsch der TK-Branche an die Politik. Dass die Aufbau-Dynamik insgesamt groß sei, bestätigten dabei alle Diskutanten. Die ausbauenden Unternehmen gäben Vollgas. Alles, was an Baukapazitäten erreichbar sei, werde genutzt.
Aber es müssten realistische Ziele kommuniziert werden, forderten die Branchenvertreter. Wer den Fokus weiterhin auf einen flächendeckenden Ausbau bis 2025 lege, wecke Erwartungen in der Bevölkerung, die so nicht erfüllt werden könnten – vor allem nicht in ländlichen Regionen. Große Probleme bereiteten nach wie vor das schwerfällige Planungsrecht und lange Wartezeiten auf Baugenehmigungen.

Universaldienst reicht nicht aus

Probleme, die die CDU ebenfalls sieht. Stefan Sauer bestätigte, dass gerade für die ländliche Gesellschaft Alternativen gefunden werden müssten. Dazu gehörten schnelle und einfache Verlegetechniken ebenso wie die Nutzung von Übergangslösungen, beispielsweise Satellitentechnologie. Ein Universaldienst oder ein Recht auf schnelles Internet, wie im Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen gefordert, seien hingegen unzureichend. Zukünftige Dienste und Services über Internet, die zentraler Bestandteil der Gigabit-Gesellschaften sein werden, entwickelten sich hochdynamisch. Ein Universaldienst könne die künftigen Erwartungen nicht erfüllen, warnte Sauer.

Eine ehrliche Analyse des Status quo forderte Tim Brauckmüller, atene KOM. Dazu gehöre, dass Planungs-, Bau- und Genehmigungsverfahren schneller werden müssten. Planungen für alternative Verlegeverfahren müssten deutschlandweit koordiniert werden, die Tiefbau-Ressourcen klug eingesetzt und deutlich mehr in die Ausbildung von Fachkräften investiert werden.

Dass aber Kommunen häufig gerade alternativen Verlegemethoden skeptisch gegenüberstehen, dies machten David Zimmer und Norbert Westfal in der Diskussion sehr deutlich. Mehr Kooperationsbereitschaft von den Kommunen forderte daher auch Sauer ein. Vorhandene Leerrohre müssten genutzt werden und die Informationen darüber offengelegt werden.

Auf die Gigabit-Gesellschaft der Zukunft einzuzahlen, müsse man allerdings auch von der Bevölkerung erwarten, gab Sauer zu bedenken. Internet gebe es eben nicht umsonst, sondern müsse – wie jede andere überlebenswichtige Infrastruktur – bezahlt werden. Vom Ausbauziel 2025 wollte Sauer allerdings nicht abrücken. Nur mit einem gewissen Druck würden die Anstrengungen weiter fortschreiten.

Open Access, EoI und Vorrang für den eigenwirtschaftlichen Ausbau

Klare Worte für das Engagement der Branche fand Westfal. Es gebe eben kein Marktversagen. Vielmehr habe der Markt das performt, was die Bürger und die Politik erwartet hätten: billige Angebote und einen Vectoring-Ausbau. Umso wichtiger sei nun, dass die Weichen dafür gestellt werden, dass dort, wo Glasfaser liegt, diese über Open Access und Equivalence of Input für alle verfügbar werde. Auch brauche die Branche ein kluges Migrationskonzept, wie der Übergang von Kupfer auf Glas gelingen könne.
Eindringlich forderte Zimmer den Vorrang für den eigenwirtschaftlichen Ausbau. Fördermitteln dürften nur dort gezielt eingesetzt werden, wo ein Ausbau anders nicht möglich sei. Ebenso seien dauerhafte Planungssicherheit und vereinte Kräfte für mehr Marktakzeptanz und Bürokratieabbau zentrale Anliegen der Branche.

Konzentration auf eine richtige zielorientierte Regulierung war auch der Appell von Tim Brauckmüller. Man dürfe nicht lange über Verfahren diskutieren, dies sei kontraproduktiv.
Intensiven Dialog fortführen

Dass Politik und Branche in vielen Punkte gar nicht so weit auseinanderliegen, hob Sauer in seinem Schlusswort hervor. Die TKG-Novelle sei ein gutes Zwischenziel. Stolpersteine, die jeder individuell erlebe, müssten gemeinsam beiseite geschafft werden. Den intensiven Dialog zwischen Politik und Branche jederzeit fortzuführen, lag auch den beiden VATM-Präsiden am Herzen, die gleichzeitig mehr Vertrauen in den Markt erwarten.