EU-Kommission will Internetzugänge verteuern und damit die Nutzung von Glasfaser anheizen – zum Schaden vieler Bürger:innen, der ausbauenden Unternehmen und den Kommunen

EU-Kommission will Internetzugänge verteuern und damit die Nutzung von Glasfaser anheizen – zum Schaden vieler Bürger:innen, der ausbauenden Unternehmen und den Kommunen

Brüssel/Köln, 6. Februar 2023. Mit künstlich höheren Preisen für Kupferanschlüsse will die EU-Kommission Druck auf die Wechselbereitschaft der Bürger:innen ausüben. „Was EU-Kommissar Thierry Breton im Rahmen des geleakten Gigabit-Empfehlungsentwurfes plant, wäre für Deutschland fatal, da hier der Telekom jetzt schon mit die höchsten Überrenditen im gesamten europäischen Markt zugestanden werden. Die Kunden werden über die Vorleistungspreise der Telekom schon heute dazu gezwungen, für uralte, längst abgeschriebene Kupferleitungen fiktive Neubaupreise wie für eine neu gebaute Glasfaserleitung zu zahlen“, kritisiert VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner. Laut eines wissenschaftlichen Gutachtens[1] von Prof. Dr. Peter Winzer von der Hochschule RheinMain werden die Wettbewerber im Zeitraum 2011 bis 2025 entsprechende Entgelte an Telekom bezahlt haben, die die tatsächlichen Kosten um mehr als 8 Milliarden Euro übersteigen.

„Der Plan, durch die seit 25 Jahren schon künstlich hohen Preise die Telekom zum schnellen Glasfaserausbau zu treiben, ist gänzlich gescheitert“, so Grützner. Nicht etwa die Überzahlungen für Kupfer, sondern allein der Wettbewerb beim Glasfaserausbau hat die Telekom aus Sicht des VATM endlich zum strategischen Umdenken gezwungen. Nun soll der gleiche Fehler nicht nur nochmals gemacht werden, sondern er würde zu Lasten eines Großteils der Bevölkerung verschlimmert. Denn dort, wo bis 2030 gerade auf dem Land Glasfasernetze noch nicht existieren, hätten die Kunden möglicherweise höhere Kosten, ohne überhaupt wechseln zu können.

Noch höhere Preise würden allein der Telekom Geld in die Kassen spülen und den Wettbewerb auch beim Glasfaserausbau selbst behindern. Grützner: „Die Querfinanzierung aus den Überrenditen ermöglicht es der Telekom heute schon, die Glasfaser ausbauenden Unternehmen zu überbauen und aus dem Markt zu drängen. Massiv betroffen wären auch kommunale Unternehmen, denen die Telekom nicht kampflos den Ausbau überlassen will.“ Das Ziel höherer Verbraucherpreise ist zudem aus Sicht des VATM auch vollkommen überflüssig, denn der Ausbau in Deutschland und den anderen EU–Ländern läuft auf vollen Touren und andere Hebel wären hierzulande für eine Beschleunigung des Ausbaus absolut ausschlaggebend. Überförderung, strategischer Überbau und viel zu lange nicht digitalisierte Genehmigungsverfahren sind und bleiben die Bremsklötze, die durch die geplanten Maßnahmen nicht verbessert, sondern sogar noch verschärft würden.

VATM-Geschäftsführer Grützner warnt: „Zudem soll die Regulierung insgesamt zurückgefahren werden und das mit dem klaren Ziel, die Position allein des marktbeherrschenden Unternehmens zu verbessern.“ Besonders fatal sei dabei, dass die Telekom nicht nur in die Lage versetzt würde, Preise zu erhöhen, sondern diese auch absenken könnte, um gezielt dort, wo andere Unternehmen ausbauen, den Kundenwechsel zu erschweren. „Wettbewerb und Glasfaserausbau dürfen nicht zum Spielball des marktbeherrschenden Unternehmens werden. Anders als in anderen EU-Ländern ist der Glasfaserausbau noch lange nicht abgeschlossen und der Wettbewerb auf den Netzen funktioniert anders als etwa in Frankreich“, erläutert Grützner.

Die EU-Kommission müsse akzeptieren, dass ein `One-size-fits-all´-Ansatz für Deutschland nicht passe. Der VATM-Geschäftsführer betont: „Die Bundesregierung muss in Brüssel dafür sorgen, dass die deutschen Marktbesonderheiten nicht missachtet werden, wenn sie ihre Ausbauziele erreichen will. Auch Bundeskartellamt und Monopolkommission sind in dieser Situation gefordert, klar Position zu beziehen.“

Der Vorschlag der EU-Kommission ist aus VATM-Sicht auch politisch höchst brisant: EU-Kommissar Breton, selbst einmal Chef von France Télécom, versuche nun am EU-Parlament vorbei und ohne öffentliche Kommentierungsmöglichkeit, Begünstigungen für dieses und andere marktbeherrschende Unternehmen als „Empfehlung“ in Europa durchzusetzen. Dies konterkariert in wichtigen Teilen die Ziele des europäischen Parlamentes im Rahmen des Telekommunikationskodex (EECC). Dort stehen nicht Erleichterungen für die europäischen Ex- Monopolisten im Vordergrund, sondern der Wettbewerb, die Entwicklung des Binnenmarktes und vor allem auch die Konsumentenwohlfahrt.

„Eine öffentliche Konsultation und eine ehrliche Debatte zum Inhalt der Kommissionsempfehlung sind notwendige Voraussetzungen, damit sichergestellt wird, dass der Kommissionsvorschlag angepasst werden kann und in angemessener Form die Besonderheiten des deutschen Telekommunikationsmarktes und der Wettbewerbssituation beachtet“, betont VATM-Geschäftsführer Grützner.

 

*Gutachten_Regulierung_Entgelte_Prof Winzer_VATM.pdf

[1] [1] Gutachten_Regulierung_Entgelte_Prof Winzer_VATM.pdf