DIALOG CONSULT und VATM stellen Studie zum deutschen Telekommunikationsmarkt 2022 vor

DIALOG CONSULT und VATM stellen Studie zum deutschen Telekommunikationsmarkt 2022 vor

  • Mit 11,6 Milliarden Euro höchste Investitionen seit Liberalisierung des TK-Marktes: Anteil der Wettbewerber der Telekom steigt auf 60 Prozent
  •  Mehr neu gebaute FTTB/H-Anschlüsse denn je: Zahl nimmt um 3,8 Millionen zu
  • 38,1 Millionen gigabitfähige Anschlüsse in Deutschland verfügbar
  • Ende 2022 können drei Viertel aller Haushalte einen Gigabit-Anschluss buchen
  • Milliarden Gigabytes in den Netzen: Weiterhin starkes Datenwachstum in Festnetz und Mobilfunk
  • Deutsche telefonieren jeden Tag fast eine Milliarde Minuten – vor allem mobil

VATM: Politische Rahmenbedingungen für Investitionen und Wettbewerb müssen von der Regierung endlich verbessert werden, wenn Deutschland bei der Digitalisierung wirklich vorankommen will

 

Köln, 26. Oktober 2022. Beim Glasfaserausbau in Deutschland läuft die Aufholjagd. Das zeigt die Marktstudie Telekommunikation 2022, die DIALOG CONSULT und VATM heute vorgestellt haben. So nehmen die Unternehmen und die dazugehörigen Investoren in diesem Jahr eine Rekordsumme in die Hand – seit der Liberalisierung der Telekommunikation vor 25 Jahren wurde noch nie so viel Geld investiert: 11,6 Milliarden Euro (Abb. 6). Den deutlichen größeren Anteil tragen dabei die Wettbewerber. Sie investieren 7 Milliarden Euro (+0,8 Milliarde Euro), während sich der Anteil der Telekom nur um 0,1 Milliarde Euro steigert. „Die Investoren haben Deutschland für sich entdeckt“, sagt Studienautor Prof. Dr. Torsten J. Gerpott, wissenschaftlicher Beirat der Unternehmensberatung DIALOG CONSULT und Inhaber des Lehrstuhls für TK-Wirtschaft an der Universität Duisburg-Essen. „Dabei wird vor allem in den ländlichen Raum investiert. Wir haben durch Vectoring auch im internationalen Vergleich viel Zeit verloren. Aber schon im vergangenen Jahr hatten wir den dritthöchsten absoluten Zuwachs in Europa“, so VATM-Präsident David Zimmer.

Mit 38,1 Millionen verfügbaren Gigabit-Anschlüssen stehen Ende des Jahres drei Vierteln der deutschen Haushalte gigabitfähige Netze zur Verfügung (Abb. 13/14). Von den verfügbaren gigabitfähigen Anschlüssen – HFC-Kabel-(DOCSIS 3.1)- und FTTB/H-Anschlüssen – wer- den fast neun von zehn dieser Anschlüsse von den Kundinnen und Kunden bei alternativen Anbietern gebucht.

Beim Neubau von Glasfaseranschlüssen bis ins Haus oder die Wohnung (FFTB/H) wird mit 3,8 Millionen ein neuer Höchststand innerhalb eines Jahres erreicht (Abb. 10). Die Zahl der Glasfaseranschlüsse insgesamt wächst um fast 45 Prozent auf 12,3 Millionen. 28 Prozent der FTTB/H-Anschlüsse sind gebucht. Die Telekom holt bei den Glasfaseranschlüssen weiter auf. Bei der Vermarktungsquote liegen aber die Wettbewerber mit gut 30 Prozent weiter vorne. Die Aufrüstung der Kabel-HFC-Netze auf Gigabit-Geschwindigkeiten steht vor dem Abschluss. Die Zahl der verfügbaren Gigabit-Anschlüsse in Breitbandkabelnetzen steigt 2022 noch um 200.000 auf 25,8 Millionen Anschlüsse (Abb. 12).

Insgesamt setzt sich in Deutschland der Trend zu Anschlüssen mit mehr Geschwindigkeit deutlich fort. Fast 60 Prozent der Kundinnen und Kunden nutzen Bandbreiten von 50 Mbit/s oder mehr (Abb. 15). Bereits 6,7 Millionen von ihnen haben sehr schnelle Anschlüsse mit Bandbreiten von mehr als 250 Mbit/s auf Basis von HFC- oder Glasfasernetzen und 2,2 Millionen sogar Bandbreiten von mindestens 1 Gbit/s gebucht. Bei den Geschäftskunden sind Downstream-Bandbreiten von 1 Gbit/s und mehr gefragter: Fast jeder Vierte bucht seinen gigabitfähigen Anschluss auch mit dieser Top-Geschwindigkeit.

 

Immer mehr Daten in den Netzen

Die Menschen in Deutschland sind immer häufiger im Netz unterwegs. Im Festnetz steigt das Datenvolumen im Vorjahresvergleich noch einmal um ein Fünftel auf rund 122 Milliarden Gigabyte (Abb. 18). Das durchschnittliche Datenvolumen pro Anschluss und Monat beträgt 274,4 GB (+19 Prozent). Im Mobilfunk übertragen die Nutzerinnen und Nutzer 2022 insgesamt rund 11 Milliarden GB – fast die Hälfte mehr als 2021 (Abb. 23). Pro Monat verbraucht der User durchschnittlich 5,7 GB.

5G-Ausbau schreitet voran

Ende des Jahres wird in Deutschland bei den aktiven SIM-Karten die 170-Millionen-Schwelle erreicht (Abb. 20/21). Immer mehr SIM-Karten werden für die Vernetzung von Maschinen genutzt: Ihr Anteil steigt um 5 Prozentpunkte auf 33,4 Prozent. Vier von fünf Kundinnen und Kunden werden Ende 2022 mit ihren mobilen Endgeräten im LTE- oder 5G-Netz unterwegs sein. Die Anzahl der für 5G genutzten Karten hat sich innerhalb eines Jahres auf 11,7 Millionen um mehr als ein Drittel erhöht.

Wieder mehr Handytelefonate

Deutschland telefoniert 2022 noch mehr als im Vorjahr: Rund 978 Millionen Minuten wird im Durchschnitt hierzulande täglich telefoniert (Abb. 5). „Der Anstieg fällt damit aber geringer aus als in den Pandemiejahren 2020 und 2021. 2020 stieg erstmals seit 13 Jahren die Zahl der Festnetzminuten – dieses Jahr sinkt sie wieder leicht“, erläutert Prof. Gerpott. Durchschnittlich 291 Millionen Minuten, statt 295 Millionen wie im Vorjahr, telefonieren die Bürger hierzu- lande via Festnetz. Insgesamt am längsten greifen die Menschen zum Handy: 456 Millionen Minuten täglich wird mobil gesprochen – das sind 13 Millionen Minuten mehr als im Jahr 2021. 231 Millionen Minuten lang werden täglich OTT-Verbindungen für Gespräche genutzt.

Festnetzumsatz steigt erstmals seit 2016 leicht

Auch die Umsatzentwicklung im TK-Markt untersucht die Studie: Der Gesamtumsatz der TK- Anbieter steigt 2022 nominal um 1,3 Prozent auf 60,3 Milliarden Euro (Abb. 1-4). Alle Teil- märkte können leicht zulegen. Dabei ist das Wachstum im Mobilfunkgeschäft etwas stärker als im Festnetzgeschäft. Die Erlöse im Mobilfunkmarkt wachsen um 0,4 Milliarden Euro auf 26,7 Milliarden Euro. 18,1 Milliarden (+0,2 Milliarden Euro) entfallen auf die Wettbewerber und 8,6 Milliarden Euro auf die Telekom. Beide steigern ihren Umsatz um 0,2 Milliarden Euro. Im Festnetzmarkt werden die Unternehmen 33,6 Milliarden Euro (+0,4 Milliarden Euro) umsetzen – 15,8 Milliarden Euro davon entfallen auf die Telekom (+ 0,1 Milliarden Euro), die TK- Wettbewerber (ohne Kabelnetze) verbuchen dieses Jahr 11,6 Milliarden Euro (2021: 11,4 Milliarden Euro). Damit entfallen fast 60 Prozent der Umsätze im Festnetz (ohne Breitbandkabel) auf die Telekom. Der Kabelmarkt wächst erneut um 0,1 auf nunmehr 6,2 Milliarden Euro.

Besonders wichtig für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist der Geschäftskundenmarkt (Abb. 3). Dieser ist hart umkämpft. Während die Telekom mit 12,5 Milliarden Euro rund 0,6 Milliarden Euro mehr mit Geschäftskunden umsetzen wird, sind es bei den alternativen Anbietern 9,1 Milliarden Euro – ein deutlicher Rückgang um 0,8 Milliarden. Die Wettbewerber bleiben bei der Bereitstellung von Geschäftskunden-Anschlüssen sehr stark auf die Vorleistungen der Telekom angewiesen, die trotz Regulierung ihre Marktposition deutlich ausbauen kann. Auch auf dem DSL-Markt baut die Telekom trotz leicht zurückgehender DSL-Anschlussnach- frage ihren Marktanteil im Resale-Geschäft weiter aus. „Zwei Drittel aller genutzten Anschlüsse werden weiter auf dem Netz der marktbeherrschenden Telekom bereitgestellt“, so TK-Experte Prof. Gerpott.

VATM-Präsident: „Politik muss Telekommunikation endlich als Schlüsselbranche wahrnehmen“

VATM-Präsident David Zimmer bezieht bei der Vorstellung der Marktstudie wie folgt Stellung: „Die Studie zeigt, wie wichtig Wettbewerb ist. Dass wir – inklusive Telekom – beim Glasfaserausbau so gut aufholen und an der Leistungsgrenze der verfügbaren Baukapazitäten arbeiten, ist eindeutig darauf zurückzuführen. Aber auch auf den Netzen muss der Wettbewerb gesichert bleiben, wenn Bürger und Wirtschaft von der Digitalisierung und neuen Diensten wie bisher profitieren sollen. Und wir müssen mit Politik und Bundesnetzagentur genau schauen, wie offener Netzzugang und Fragen, wie etwa strategischer Überbau, so geregelt werden, dass Investitionen und Wettbewerb gleichermaßen gesichert bleiben.“

Von großer Bedeutung für den erfolgreichen Glasfaserausbau ist aus Sicht des VATM, dass die ab 2023 in Kraft tretende Förderung den schnellen eigenwirtschaftlichen Ausbau nicht durch unnötig ausgelöste Förderverfahren behindert. Förderung sollte prioritär dort eingesetzt werden, wo immer noch vielfach keine 100-Mbit/s-Versorgung gegeben ist. „Aber auch dort wo diese Aufgreifschwelle dann fällt, muss gelten: Privat vor Staat. Denn mehr als 50 Milliarden Euro internationales Kapital stehen für den Glasfaserausbau in Deutschland zur Verfügung, das allermeiste davon für den ländlichen Raum. Das dürfen wir nicht durch eine Art ‚Förder-Tsunami‘ gefährden“, warnt Zimmer. Die Kritik der Länder am aktuellen „Förderstopp“ kann der VATM-Präsident so nicht nachvollziehen: „Mit 3 Milliarden Euro sind die Fördertöpfe für dieses Jahr nicht nur aufgebraucht, sondern wir liegen bereits weit oberhalb der Ausbaukapazitäten des Marktes. Damit geht es keineswegs schneller, sondern im Gegenteil, der Aus- bau verlangsamt sich und wird deutlich teurer. Genau das soll und muss das bereits zu Beginn 2023 startenden neue Förderkonzept der Bundesregierung berücksichtigen.“

Auch in anderen Bereichen gebe es noch viel zu tun. „Fast ein Jahr nach dem Antritt der neuen Regierung und der Novelle des Telekommunikationsgesetzes sowie der Gigabit-Strategie im Juli gibt es noch viele Punkte, die sich nicht elementar verbessert haben“, kritisiert Zimmer. Genehmigungsverfahren würden immer noch deutlich zu lange dauern. Teils sind bis zu 30 Genehmigungen erforderlich. „Wir brauchen jetzt wirklich dringend bundesweit harmonisierte und digitalisierte Antrags- und Genehmigungsverfahren.“ Und um mit den vorhandenen Ressourcen schneller bauen zu können, müsse der Normierungsprozess von alternativen Verlegeverfahren nun konstruktiv und zügig finalisiert werden.

Schieflagen drohen bei der Ausgestaltung der Universaldienstverpflichtung. „Es kann wohl kaum das Ziel sein, Neubaugebiete mit 10 Mbit/s statt mit Gigabit – sei es per Förderung – zu erschließen. Bei allen bisher von der Bundesnetzagentur hierzu gefassten Beschlüssen handelt es sich jedoch genau um solche Neubaugebiete. „Damit werden die Ziele der Bundesregierung und der Wille des Parlamentes geradezu konterkariert. Hier muss dringend nachgebessert werden“, fordert der VATM-Präsident. „Der Universaldienst ist zur Erschließung von Neubaugebieten definitiv nicht geeignet und darf hierfür nicht herangezogen werden.“

Beim Ausblick schaut Zimmer auf die wachsenden Herausforderungen für die Telekommunikationsbranche angesichts des Krieges gegen die Ukraine sowie die Energiekrise. „Digitale Infrastrukturen gehören zu den Lebensadern der deutschen Gesellschaft und Wirtschaft. Da- her ist eine Priorisierung bei der Energieversorgung unabdingbar“, so Zimmer. Die Unternehmen haben bereits zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um Energie einzusparen, u. a. der Aus- tausch vieler Komponenten und Systeme, eine reduzierte Kühlung in Rechenzentren, optimierter Betrieb der Klimatechnik. Die fortschreitende Transformation von Kupfer- zu Glasfasernetzen und der Einsatz von 5G wird sich immer mehr energiesparend auswirken.

„Die steigenden Energiepreise und Betriebskosten sowie die hohe Inflationsrate betreffen auch unsere Branche“, sagt Zimmer. Materialengpässe sind ebenfalls spürbar. Das gilt z. B. bei Halbleitern und teils bei Rohren. „Die Telekommunikationsbranche ist dennoch bis heute eine der ganz wenigen, die mit sinkenden Preisen für Entlastung in den Portemonnaies der Verbraucherinnen und Verbraucher sorgt oder für das gleiche Geld deutlich mehr Leistung bietet.“ Der Verbraucherpreisindex für TK-Dienstleistungen ist laut Statistischem Bundesamt seit 2015 um fast 6 Prozent zurückgegangen. Klar ist aber auch: Der Kostendruck wächst. „Durch die immer weiter steigenden Preise im Bereich Baukosten, Energie und Zulieferer sowie die Inflation muss damit gerechnet werden, dass es auch in unserer Branche in absehbarer Zeit zu Preissteigerungen kommen kann“, ergänzt VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner.

VATM-Präsident Zimmer appelliert zum Abschluss der Studienvorstellung: „Wir sind der Enabler für die gesamte Wirtschaft, aber auch für die gesamte staatliche Verwaltung, um die Digitalisierungs-, Nachhaltigkeits- und Klimaziele zu erreichen. Die Politik muss unsere Branche endlich als Schlüsselindustrie wahrnehmen und nicht länger mit immer neuen Belastungen und mehr Bürokratie ausbremsen.“

Prof. Dr. Torsten J. Gerpott ist wissenschaftlicher Beirat des Beratungsunternehmens DIALOG CONSULT GmbH und Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmens- und Technologieplanung mit dem Schwerpunkt Telekommunikationswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.

David Zimmer, Präsident des VATM e. V., Aufsichtsratsmitglied Unternehmensgruppe Deutsche Glasfaser und Gründer der inexio