Ein Jahr Gigabitstrategie – Verband sieht Licht und Schatten. VATM-Präsident Zimmer: „Ob die Gigabitstrategie ein Erfolg wird, zeigt sich in ihrer Umsetzung. Hier haben wir noch viel Luft nach oben.“

Ein Jahr Gigabitstrategie – Verband sieht Licht und Schatten. VATM-Präsident Zimmer: „Ob die Gigabitstrategie ein Erfolg wird, zeigt sich in ihrer Umsetzung. Hier haben wir noch viel Luft nach oben.“

Berlin, 30. Juni 2023. Eine durchwachsene Bilanz zieht der VATM nach einem Jahr Gigabitstrategie. „Der Zeitplan für den Glasfaserausbau in Deutschland mit einem ersten Etappenziel 2025 und der flächendeckenden Versorgung bis 2030 war bereits im letzten Jahr ambitioniert. Durch die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung ist es noch herausfordernder geworden, diese Ziele zu erreichen“, sagt VATM-Präsident David Zimmer. Umso dringender seien jetzt die richtigen Rahmenbedingungen für einen schnellen und flächendeckenden Ausbau. „Hier ist noch viel Luft nach oben“, mahnt der Präsident.

Die aktuellen Gigabitausbauzahlen, die der Verband vor wenigen Wochen veröffentlicht hat, hätten gezeigt, dass nur bei anhaltend hohen Investitionen in den FTTB/H-Ausbau und ohne einen strategisch motivierten Glasfaser-Überbau bis Ende 2025 eine FTTB/H-Versorgungsquote von 50 Prozent zu erreichen ist. „Steigende Zins- und Baukosten verteuern den Ausbau erheblich. Wenn sich die politischen Rahmenbedingungen nicht schnell und deutlich verbessern, werden sich die Chancen für den eigenwirtschaftlichen Ausbau gerade im ländlichen Raum dramatisch verschlechtern“, prognostiziert Zimmer. „Die zu lösenden Probleme sind von Seiten des VATM benannt, nun muss auch gehandelt werden.“

Auf die notwendigen Beschleunigungen im Baurecht und bei der Genehmigungspraxis wartet die Branche nach wie vor. Bundesländer wie Hessen und Rheinland-Pfalz sind Vorreiter mit der Einführung des Breitbandportals, andere Länder müssen dringend nachziehen und weitere, für die Geschwindigkeit beim Glasfaserausbau wichtige Verwaltungsprozesse, in das Portal integriert werden. Um schnell neue Mobilfunkstandorte zu errichten, müssen Genehmigungsfiktionen in die Bauordnungen der Länder aufgenommen werden. „Der Ball liegt zwar im Spielfeld der Bundesländer, es ist aber die Kernaufgabe der Bundesregierung, die bestmöglichen Rahmenbedingungen für die digitalen Infrastrukturen zu schaffen. Wir erwarten daher einen stärkeren Schulterschluss zwischen Bund und Ländern, wenn man es mit dieser Aufgabe ernst meint“, so Zimmer.

Auch die Gigabitförderung zahlt nach einem Jahr Gigabitstrategie nicht – wie erhofft – auf deren Ziele ein. Es fehlt eine bessere Förderpriorisierung, eine sinnvolle Verknüpfung zwischen eigenwirtschaftlichem und gefördertem Ausbau, damit tatsächlich auch alle Haushalte angeschlossen sind, wenn der Glasfaserausbau in einem Ort beendet wird.

„Alle Bemühungen, die Ziele der Gigabitstratege zu erreichen, werden jedoch durch die strategischen Überbau-Aktivitäten der Telekom geradezu konterkariert“, kritisiert Zimmer. In der Gigabitstrategie sei klar festgehalten, dass bei Bedarf gemeinsam mit den Wettbewerbsbehörden Ansätze gefunden werden müssten, um wettbewerbswidrige Formen des Überbaus einzudämmen. Das könnten auch regulatorische Maßnahmen sein. „Hier muss die Bundesregierung schnellstmöglich aktiv werden“, fordert Zimmer. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in den betroffenen Orten fürchteten um den vollständigen eigenwirtschaftlichen Ausbau ihrer Kommune durch Handtuchwerfen und Rosinenpicken. Allen Beteiligten und der Politik müsse klar sein, dass sich Investoren, die sich mit mehr als 50 Mrd. Euro beim Glasfaserausbau engagierten, dann zurückziehen würden, wenn ihre Businesspläne durch ein solches Vorgehen zerstört würden.

Eine zentrale Voraussetzung für den Infrastrukturausbau ist Rechts- und Planungssicherheit für die Investoren. Es bedarf aber auch einer weitreichenden Perspektive für alle Marktakteure, gerade auch solcher Anbieter, die Millionen von Kunden auf Basis von attraktiven Vorleistungen versorgen und die auf Zugang angewiesen sind. „Das Durchbrechen und Verhindern von Marktmacht darf keinesfalls aus dem Fokus von Regierung und Bundesnetzagentur rücken“, hebt VATM-Geschäftsführer Dr. Frederic Ufer hervor. Für den Verband ist klar, dass die Durchsetzung einer effektiven Zugangsregulierung zukünftig ebenfalls eine tragende Säule der Gigabitstrategie sein muss und die Gewährleistung eines selbsttragenden Wettbewerbs wieder viel stärker in den Ziele-Kanon der Bundesregierung aufgenommen werden muss. „Ansonsten ereilen uns beim Glasfaserausbau die gleichen Versäumnisse, die 25 Jahre nach der Liberalisierung des TK-Marktes dazu führen, dass wir eine sogar wieder wachsende Marktbeherrschung durch die Telekom beobachten“, so Ufer. „Es bedarf deutlich mehr Transparenz bei der anstehenden Abschaltung der Kupfer-Netze und einer proaktiven Begleitung durch die Regulierungsbehörde.“ Das dafür eingerichtete Gigabit-Forum muss hier stärker den Schwerpunkt setzen und das notwendige Vertrauen im Markt schaffen. Ansonsten droht ein Rückschlag für den Wettbewerb, insbesondere für die vielen Geschäftskundenanbieter und die bundesweiten Nachfrager, die sich mit stetig verschlechternden Wettbewerbsbedingungen konfrontiert sehen. Am Ende haben die Bürger und die Wirtschaft das Nachsehen, wenn konkurrenzfähige Wettbewerbsangebote fehlen und ein Anbieter allein den Markt dominiert.

Ausdrücklich lobt der Verband die Kommunikation und den Austausch mit dem Ministerium in den vergangenen Monaten. „Hochleistungsfähige Netzinfrastrukturen in Deutschland schaffen wir nur gemeinsam. Der vertrauensvolle Dialog zwischen Branche und Politik ist daher sehr wichtig“, betont VATM-Präsident Zimmer. Sehr erfreulich sei zudem, dass endlich auch die DIN-Norm für alternative Verlegemethoden verabschiedet sei. Diese sei eine wesentliche Voraussetzung für einen günstigeren und schnelleren Glasfaserausbau.