DIALOG CONSULT und VATM stellen 5. Gigabit-Studie 2023 vor

DIALOG CONSULT und VATM stellen 5. Gigabit-Studie 2023 vor

40,6 Millionen gigabitfähige Anschlüsse gebaut – 2,1 Millionen mehr FTTB/H-Anschlüsse in sechs Monaten – 32,4 Millionen Haushalte und KMU sind mit gigabitfähigen Anschlüssen versorgbar

VATM-Geschäftsführer Dr. Frederic Ufer warnt: Spielraum für den eigenwirtschaftlichen Ausbau gerade im ländlichen Raum droht sich dramatisch zu verengen

Köln, 15. Juni 2023. 40,6 Millionen gigabitfähige Anschlüsse gibt es Mitte 2023 in Deutschland. Dazu zählen DOCSIS-3.1-Kabelanschlüsse und Glasfaseranschlüsse bis zum Haus/Endkunden (FTTB/H). Dies sind 2,2 Millionen mehr als Ende 2022. So lauten Ergebnisse der 5. Gigabit-Studie 2023, die DIALOG CONSULT und VATM heute vorgestellt haben. Berücksichtigt man die doppelt versorgten Haushalte werden Ende Juni 32,4 Millionen Haus-halte und damit mehr als 71 Prozent mit gigabittauglichen Anschlüssen versorgbar (1) sein. Diese gute Versorgungsquote ist maßgeblich auf die gigabitfähigen HFC-Netze zurückzuführen.

Fast das gesamte HFC-Netz konnte inzwischen auf DOCSIS 3.1, den Gigabit-Standard, hochgerüstet werden. Innerhalb des ersten Halbjahres 2023 wurden nochmals 120.000 weitere Anschlüsse gigabitfähig gemacht. Die Aufrüstung ist jetzt weitgehend abgeschlossen. Neue HFC-Anschlüsse werden nicht gebaut, die HFC-Carrier setzen ebenfalls auf FTTB/H.

Bei einer stabilen gigabitfähigen Versorgung durch HFC-Netze, nimmt der Glasfaserausbau weiter zu. Bis Ende Juni 2023 steigt die Zahl der FTTB/H-Anschlüsse um 16,2 Prozent gegenüber Ende 2022 auf 15,1 Millionen Anschlüsse. „Diese Entwicklung ist erfreulich“, erläutert VATM-Geschäftsführer Dr. Frederic Ufer. „Wir wissen aber auch, dass die Wettbewerber im Markt vorsichtiger agieren. Gleichzeitig basieren auch Mitte 2023 noch zwei Drittel der von den Kunden genutzten Breitbandanschlüsse auf dem Kupferdoppelader-Anschlussnetz der Telekom Deutschland. Eine durchaus schwierige Gemengelage.“

„Der Glasfaserausbau findet zu einem großen Teil im ländlichen Bereich statt, dort wo es keine anderen gigabitfähigen (HFC-) Netze gibt“, ergänzt Andreas Walter, Geschäftsführer der Dialog Consult GmbH. Insgesamt klettert im ersten Halbjahr 2023 der Anteil der Haushalte und KMU, die einen gigabitfähigen Anschluss beziehen können, um 2,7 Prozentpunkte auf 71,1 Prozent. „Wir sehen auch, dass im städtischen Bereich der Infrastrukturwettbewerb zunimmt. 8,2 Millionen Haushalte können zwischen einem FTTB/H-Netz und einem DOCSIS-Kabelnetz wählen.“

Ausbau und Versorgungslage bei gigabitfähigen Anschlüssen

Diese Zahlen zeigen, dass man in der politischen Diskussion sehr sorgsam zwischen Ausbauzahlen und tatsächlicher Versorgung unterscheiden müsse, mahnt Ufer. „Wenn man die Doppelversorgung abzieht, sieht man deutlich, dass nur etwas über eine Million der neugebauten Anschlüsse wirklich auf die verbesserte Versorgung der Bevölkerung einzahlt. Mit Blick auf ein Jahr Gigabitstrategie ist daher nach unserer Einschätzung das Erreichen der Glasfaser-Ausbauziele der Bundesregierung bis 2025, erst recht bis 2030, kein Selbstläufer.“

Angebot und Nachfrage

Im ersten Halbjahr 2023 wird weiterhin der Löwenanteil der gigabitfähigen Anschlüsse (84 Prozent) von den Wettbewerbern angeboten. Mehr als 92 Prozent der Nutzer beziehen ihren Gigabit-Anschluss von einem Wettbewerbsunternehmen.

Ähnlich ist die Entwicklung im FTTB/H-Markt: Rund 8,6 Millionen der Glasfaseranschlüsse wurden und werden von den Wettbewerbern insgesamt bis Ende des ersten Halbjahres 2023 gebaut. Damit entfallen von den verfügbaren FTTB/H-Anschlüssen 57 Prozent auf die Wettbewerber. Betrachtet man den gesamten Breitbandmarkt, kann die Telekom aufgrund der deutlichen Zuwächse im DSL-Markt seit 2020 sogar Marktanteile hinzugewinnen.

Mehr als 25 Prozent der insgesamt 15,1 Millionen Glasfaseranschlüsse werden von den Endkunden genutzt. „Erfreulich hoch ist die Take-up-Rate der Wettbewerber, die mit knapp 34 Prozent deutlich über der der Deutschen Telekom von weniger als 14 Prozent liegt“, erläutert Walter. Insgesamt habe die Telekom im ersten Halbjahr ihren Glasfaserausbau deutlich gesteigert. Mit einem Zuwachs von 1,2 Millionen Anschlüssen sei sie allerdings noch weit von dem versprochenen Wachstum von 3 Millionen Anschlüssen in 2023 entfernt.

„Die Take-up-Rate muss mittel- und langfristig deutlich gesteigert werden, damit sich der Netzausbau rentiert“, sagt der Wissenschaftler. „Das ist allen ausbauenden Unternehmen bewusst, muss aber auch von der Politik berücksichtigt werden, wenn es um die richtigen Rahmenbedingungen für den Glasfaserausbau geht.“ Auch die Abschaltung der Kupfernetze spiele eine entscheidende Rolle, ob die erforderlichen Anschlussquoten auf den neuen hochleis-tungsfähigen Netzen erreicht würden. „Zu Postzeiten war eine 100prozentige Auslastung des Kupfernetzes selbstverständlich und bildete die Basis für die Finanzierung des Netzes.“

Offensichtlich werden höhere Wachstumsraten auf der Angebotsseite dadurch erreicht, dass Kabel bzw. Rohrleitungen zunächst nur bis in Grundstücksnähe verlegt werden, der Bau des vollständigen Anschlusses aber zunächst ausbleibt. Walter erläutert: „Das Ausbautempo der Deutschen Telekom und deren schlechte Take-up-Rate erklärt das starke Anwachsen von nicht aktiven, lediglich vorbereiteten Anschlüssen. Die Telekom kann es sich jedoch leisten, ihre FTTB/H-Interessenten auf einen schnellen Anschluss warten zu lassen, da viele bereits direkte oder indirekte Telekom-DSL-Kunden sind. Da Wettbewerbsunternehmen in diesen von der Telekom teilversorgten Gebieten keine Infrastruktur bauen werden, verzögert sich die Migration zu schnellen Gigabit-Anschlüssen durch diese Telekom-Blockadestrategie.“

Gigabit-Anschluss ist „sexy“

Weiterhin ungestillt ist der Hunger nach Datenvolumen. Das über gigabitfähige Anschlüsse erzeugte Datenvolumen pro Anschluss und Monat ist allein im ersten Halbjahr um gut 7 Prozent gewachsen und liegt bei durchschnittlich 411 Gigabyte.
„Auch die Nachfrage nach hochbitratigen Anschlüssen nimmt weiter zu“, führt Walter aus. Knapp die Hälfte der Kunden der Wettbewerber fragt Bandbreiten von 250 Mbit/s und mehr nach. „Gerade auch das Produkt „Gigabit-Bandbreite“ ist offensichtlich „sexy“ und übt einen besonderen Reiz auf Kunden aus.“ Die Verbraucherpreise liegen monatlich durchschnittlich für einen Gigabit-Anschluss mit einer Downlink-Bandbreite von 1 Gbit/s mit Anfangsrabatten bei 56,46 Euro und ohne Anfangsrabatte bei 68,77 Euro.
Im Geschäftskundenmarkt fragen zwei Drittel der Kunden der Wettbewerber Bandbreiten von 250 Mbit/s und mehr nach. Über ein Drittel fragt Bandbreiten von 500 Mbit/s und mehr nach.

Ufer: Studie ist Spiegelbild einer schwierigen Gesamtsituation in Deutschland

„Die aktuelle Gigabitstudie 2023 von Dialog Consult im Auftrag des VATM belegt eindrucksvoll, dass der Glasfaser-Ausbau stark vorangetrieben wird, während gleichzeitig die HFC-Netze maßgeblich eine hohe Gigabit-Versorgungsquote Deutschlands garantieren“, fasst VATM-Geschäftsführer Dr. Frederic Ufer die Untersuchung zusammen. Gerade im ländlichen Raum, aber auch in der Stadt werde der Wettbewerb stärker, und das sei gut. Dass die Telekom aufhole, sei ebenfalls zu begrüßen, denn nur gemeinsam werde der flächendeckende Glasfaserausbau gelingen.

„Die Studie ist aber gleichzeitig auch Spiegelbild einer schwierigen Gesamtsituation in Deutschland für ausbauende Unternehmen und Investoren“, so Ufer. „Steigende Zins- und Baukosten sind Parameter, die den Ausbau erheblich verteuern. Allem voran müssen daher jetzt die politischen Rahmenbedingungen stimmen, sonst geben die Investoren kein Vollgas mehr.“ Nur bei anhaltend hohen Investitionen in den FTTB/H-Ausbau und ohne einen „Glasfaser-Überbau“, so die Prognose von Dialog Consult, könne das Ziel der Gigabit-Strategie des Bundesdigitalministeriums erfüllt werden, bis Ende 2025 eine FTTB/H-Versorgungsquote von 50 Prozent zu erreichen. Fazit des Geschäftsführers nach einem Jahr Gigabitstrategie: „Wir brauchen eine bessere Förderpriorisierung, eine sinnvolle Verknüpfung zwischen eigenwirtschaftlichem und gefördertem Ausbau, Stichwort Super-Fast-Lane, und natürlich vor allem ein Gegensteuern bei strategischem Überbau, den Bürgermeister:innen und Wettbewerber gleichermaßen kritisieren“, fordert Ufer. „Wenn der Businessplan der Investoren zerstört wird, werden sie sich eben nicht mit den angekündigten über 50 Milliarden Euro am Glasfaserausbau in unserem Land beteiligen können.“ Dies habe die vom Bundesdigitalministerium beauftragte Studie des WIK eindrucksvoll belegt. „Die Versorgungszahlen der neu angeschlossenen Bürger:innen werden einbrechen“, so Ufer, „wenn wir für diesen Markt die gleichen Wettbewerbsmaßstäbe anlegen wie für den Bau von mehreren Supermärkten oder Bäckereien in einer Ortschaft.“

Die Studienergebnisse zeigten klar, dass es die Wettbewerber sind, die auf Komplett-Ausbau und auf reine Glasfaser setzten. „Bei der Deutschen Telekom sehen wir Handtuchwerfen und möglichst viele Rosinen picken. Diese Rosinenpickerei kann sich nur die Telekom leisten, denn sie allein kann außerhalb solcher kleinen Ausbaugebiete ihre Kunden weiterhin mit Vec-toring abspeisen. Als marktmächtiges Unternehmen kann sie ihre Karten hier voll ausspielen.“ Damit entwickele sich Vectoring hinsichtlich der Take-up-Rate zum weiteren Hemmschuh und werde zu einer Fragmentierung des Marktes und der Netze führen. „Genau das können die Bürger:innen und Bürgermeister:innen gerade nicht brauchen: einen hervorragend mit Glasfaser versorgten Marktplatz, aber im Rest der Kommune weiterhin nur Vectoring.“

Hinzu komme, dass die Telekom auch bei DSL immer mehr Kunden an sich binden könne. Diese Entwicklung basiere insbesondere auf einer aggressiven Preispolitik der Telekom, dies habe eine weitere aktuelle Studie von DIALOG CONSULT und des VATM „Analyse der Wettbewerbssituation im deutschen Festnetzmarkt“ (2) bereits im Mai 2023 gezeigt. „Damit der FTTB/H-Ausbau in einem starken Wettbewerberumfeld gelingt, muss die Bundesnetzagentur dafür sorgen, dass die Wettbewerber mit der Telekom konkurrieren können. Ansonsten wird die Telekom ihre erstarkende Marktposition ausnutzen, wie die Studie zur Wettbewerbssituation zeigt, um ihre Kunden von Kupfer möglichst spät und dann nur auf die eigenen Glasfasernetze zu migrieren. Der hohe Marktanteil bei DSL und die hohen Überrenditen versetzen die Telekom zudem in die Lage, mit strategischem und gezielt nur punktuellem Überbau von Wettbewerbernetzen das Risiko für Investitionen in Deutschlands Infrastruktur enorm zu erhöhen.“ Teil der Lösung und ein wesentlicher Hebel für die Auslastung der Glasfasernetze sei „Open Access“, zu dem sich die Mitgliedsunternehmen des VATM bekennen und was zahlreiche Projekte und Kooperationsankündigungen belegen würden. Hier müsse nun auch die Telekom ihren Beitrag leisten und im Wege von „Wholebuy“ zu einer effizienten Auslastung der Netze beitragen.

Eine große Gefahr für den flächendeckenden Ausbau drohe laut Ufer zudem auch durch das neue Förderkonzept der Bundesregierung. Statt wie versprochen den schnellen eigenwirtschaftlichen Ausbau besser mit dem geförderten zu verzahnen, stehe zu befürchten, dass die Bagger meist für lange Jahre aus dem Dorf rollen, ohne die Anschlüsse gebaut zu haben, die einer Förderung bedurft hätten. „Der Grund ist so simpel wie überraschend“, führt Ufer aus. „Gerade dort, wo der eigenwirtschaftliche Ausbau gut klappt und nur wenige Anschlüsse in die Förderung müssten, bekommen diese beim neuen „Scoring“ nicht die erforderlichen Punkte um auf die sogenannte „Fast Lane“ bei der Förderung zu kommen.“ Deutschland brauche eine Super Fast Lane, wenn wir nicht immer weiter zurückfallen wollen.

„Die Branche bewältigt aktuell eine riesige Infrastrukturaufgabe“, erinnert Ufer. „Die Unternehmen bauen heute schon die Netze, die morgen alle Bürgerinnen und Bürger brauchen werden, aber heute noch nicht von allen benötigt werden. Noch reichen für viele Bandbreiten aus, wie sie beispielsweise über Vectoring buchbar sind. Dies hält heute noch die Take-Up-Rate niedrig. Das ist eine enorme Herausforderung für die ausbauenden Unternehmen und alle Investoren. Sie brauchen hierbei alle Unterstützung und vor allem die bestmöglichen Rahmenbedingungen, damit die Ziele der Bundesregierung im Interesse der Bürger:innen bis 2025 und 2030 erreicht werden.“

Die Gigabit-Studie finden hier

 

Andreas Walter ist seit 2007 geschäftsführender Gesellschafter der Beratungsinstituts DIALOG CONSULT GmbH. Er besitzt Lehraufträge an der Hamburg Media School und an der Hochschule Rhein-Main.

Nachruf auf Prof. Dr. Torsten J. Gerpott:

Fast 25 Jahre hat Prof. Dr. Torsten J. Gerpott als Mitbegründer des Beratungsunternehmens DIALOG CONSULT GmbH und Inhaber des Lehrstuhls für Unternehmens- und Technolo-gieplanung mit dem Schwerpunkt Telekommunikationswirtschaft an der Universität Duisburg-Essen die VATM-Studien ausgewertet, analysiert und kommentiert. Sein unerreichtes Talent aus trockenen Zahlen griffige Botschaften und lebendige Bilder zu schaffen, wird uns immer in Erinnerung bleiben. Er machte die „Marktanalyse Deutschland“ von Dialog Consult und VATM zu einer der wichtigsten und am häufigsten zitierten Studien im TK-Bereich.

Anfang Juni 2023 verstarb der große TK-Wissenschaftler.

Mit Prof. Dr. Torsten J. Gerpott verliert die Telekommunikationsbranche einen herausragen-den Wissenschaftler und großen Kenner des Marktes. Wie kein anderer hat Gerpott die wirtschaftliche Entwicklung der Branche seit der Liberalisierung wissenschaftlich begleitet. Seine Expertisen und Analysen, sein Urteilsvermögen und seine fundierten Kommentierungen wurden von Wirtschaft ebenso wie von der Politik mit allergrößer Hochachtung wahrgenommen und geschätzt. Sein Einfluss hat die Branche geprägt. Der VATM ist zutiefst dankbar für sein großes Engagement und seine Unterstützung für fairen Wettbewerb, Fortschritt und Innovationskraft. Wir trauern um einen großartigen Wissenschaftler und einen außergewöhnlichen Wegbegleiter.

 

1) Als verfügbar werden Anschlüsse eingestuft, wenn für einen Haushalt mindestens eine dedizierte Glasfaseran-schlussleitung oder Leerrohrsystem verlegt ist, welches für die Installation eines FTTB/H-Anschlusses ausgelegt ist und das (a) in max. 20 m Entfernung am Grundstück vorbeiführt oder (b) bis an oder auf das Grundstück führt, aber noch nicht mit dem Hausnetz verbunden ist, oder für den ein FTTB/H-Anschluss komplett installiert ist.

2) DIALOG-CONSULT / VATM: „Analyse der Wettbewerbssituation im deutschen Festnetzmarkt“, Mai 2023